Radfahren entlang kleinerer Flüsse
Werse (Hamm-Münster)
Werse-Radweg = Genießertour hier an der Werse zwischen Albersloh und Wolbeck
(© ga&ul 2009-09-26) - Klick in das Bild für weitere Fotos
Überraschungstour zum Hochzeitstag
Es ist mal wieder über eine Überraschungstour zu berichten. Sollte das zur Gewohnheit werden? Anlass war diesmal unser einjähriges Ehe-Jubiläum Ende September.
Ende September? Da kann es schon ganz schön ungemütlich draussen sein! Oder wunderschön, mit den letzten richtig warmen Tagen, mit Sonne, die das erste bunte Herbstlaub zum Leuchten bringt, so dass die Landschaft bunter und vielfältiger erscheint als im Sommer. Nun, wir haben die letztere Variante erwischt und dürfen einen wunderschönen Tag genießen. Er beginnt mit leichtem Nebel. Doch bereits unterwegs, während wir im Zug nach Hamm sitzen, kämpft sich die Sonne durch den Dunst. Die barocke Fassade des Bahnhofs in Hamm präsentiert sich bereits in ihrer ganzen Pracht im Licht der Morgensonne.
Hamm
Nachdem wir den Bahnhof gebührend bewundert haben, machen wir uns auf die Suche nach einem Café, in dem wir die Grundlage für den Tag legen wollen, denn zuhause gab's nur einen schnellen Kaffee vor dem Start. Am Marktplatz begegnet uns das Café Central ( so WA vom 17.04.2012 ) (die Tapas-Bar ist tatsächlich gekommen und existiert immer noch (5/2013) aktuell , schon etwas in die Jahre gekommen, aber passend zum spröden Charme einer Stadt, die wie viele andere ihr altes Gesicht im letzten Krieg verloren hat. Was in den 60er und 70er Jahren gebaut worden ist, macht die Narben in diesem Gesicht aus. Hamm besteht fast nur aus Narben, könnte man meinen. Aber das Gesicht macht noch keinen ganzen Körper. Und so lassen sich viele schöne Ecken und Bereiche finden, nimmt man sich nur etwas Zeit für diese Stadt.
Ein paar entdecken wir auf dem 'Zubringer' zum Werse-Radweg, denn dieses kleine Flüsschen soll heute unser Wegbegleiter sein.
Bad Hamm
Wir starten also gut gerüstet und gestärkt vom Marktplatz irgendwie in südöstlicher Richtung. Nach ein wenig Zickzack landen wir wenig später im Grünen, folgen dem Grünstreifen, weil er unserer Richtung entspricht, unterqueren eine Straße (Adenauerallee, wie ich jetzt beim Schreiben auf der Karte sehe) und stellen auf einmal fest, dass unser Wegbegleiter zur Linken inzwischen der Hamm-Datteln-Kanal geworden ist. Wir sind auf dem Zubringer zum WERSE-RADWEG gelandet. Mit Kanal zur Linken und einer Seen- und Parklandschaft zur Rechten geht es weiter. Das sieht ja fast wie ein Kurort aus. Tatsächlich, wir sind in Bad Hamm. Bad? Ja, die Stadt Hamm war von 1882 bis 1955 Badekurort und durfte sich dementsprechend Bad Hamm nennen. Heute ist diese Bezeichnung allerdings nur noch dem Stadtteil vorbehalten, in dem sich der Kurpark sowie Heil- und Sporteinrichtungen befinden (Kurhaus, Kliniken, Sole- und Erlebnisbad und - seit 2009 - eine Saline). Die Solequelle auf dem Gebiet der Stadt ist inzwischen versiegt. Wir bleiben am Kanal, ignorieren für dieses Mal den Wegweiser zum Maximilianpark mit dem gläsernen Elefanten, da noch viel Strecke vor uns liegt.
Zechenbahn
(Was der folgende Abschnitt beschreibt, ist jetzt Geschichte. Die Zechenbahn-Trasse Hamm-Ahlen ist inzwischen durchgängig befahrbar, siehe Anmerkung weiter unten.)
Unser nächstes Ziel ist die Trasse der ehemaligen Zechenbahn der Zeche Westfalen, die von Ahlen zum Hamm-Datteln-Kanal führte. Der Wegweiser zeigt geradeaus, aber es müsste eigentlich hier links über den Kanal gehen, da wir gerade eine Eisenbahnstrecke unterquert haben. Wir nehmen die nächste Brücke über den Kanal, folgen der Straße bis Haaren. Richtig, dort wo wir auf die Kreisstraße, treffen zweigt gegenüber schräg ein Schotterweg ab. Das muss die alte Trasse sein. Die neue Streckenführung des Werse-Radweges sollte zum Zeitpunkt unserer Tour (2009) befahrbar sein, war aber offensichtlich noch nicht fertig gestellt. Befahrbar ist der Weg aber trotzdem. So folgen wir ihm bis zur Landesstraße (L736). Hier endet der Weg allerdings. Die alte Eisenbahnbrücke über die Lippe, auf der es weiter gehen müsste, hätte damals Christo alle Ehre gemacht: wunderschön verpackt deutete alles darauf hin, dass hier noch gebaut wird. Das neue Teilstück wurde erst 2010 frei gegeben (Anm. am 26. April 2010, neuer Zubringer zum Datteln-Hamm-Kanal am 19. April 2012). Also rechts um, marsch, marsch. Zurück fahren wir prinzipiell nicht (naja, manches Mal geht es halt nicht anders). An der Landesstraße lässt es sich fahren, weil heute am Samstagmorgen wenig Verkehr ist. Einen Kilometer weiter können wir auch schon wieder abbiegen auf die alte Ortsdurchfahrt in Uentrop. Damit landen wir dann doch auf der Umleitungsstrecke nach Dolberg. Das Stück über die Lippe möchte ich nicht alltags im Berufsverkehr zugemutet bekommen: kein Fahrradweg, und auf der Brücke würde es richtig eng. Aber heute kommen wir da gut durch. Nach der Lippe-Querung führt die Route uns geradeaus über die L822 direkt wieder auf kleine Nebenstraßen, auf denen wir hinter Ostdolberg die hier bereits zum Radweg ausgebaute Zechenbahntrasse erreichen. Von da an beginnt das pure Radelvergnügen. Ein glatter asphaltierter Weg nur für uns. Fast wie im Osten Deutschlands, wo vielerorts neue Radwege in dieser Art angelegt worden sind (vgl. Tour Brandenburg auf dieser Website). Leider wird die Fahrt mehrmals unterbrochen durch Zufahrten zu Bauernhöfen. Warum haben die denn hier Vorfahrt?
Zeche Westfalen
Linkerhand tauchen zwei Fördertürme hinter den Bäumen auf, erste Anzeichen, dass wir uns der Zeche Westfalen nähern. Kurz danach treffen wir auf die Werse und damit auf den eigentlichen WERSE-RADWEG. Jetzt überqueren wir ihn erst einmal, um in den Bereich der Zeche zu gelangen, in dem noch Gebäude stehen. Die Zufahrt von hier ist nicht sehr attraktiv. Eine alte Industriestraße ohne Radweg, mit Gestrüpp, Gebäuderesten, hohen Zäunen rechts und links und LKW-Verkehr, selbst heute am Samstag. Leider kann man nicht auf der alten Bahntrasse in das Gelände gelangen, obwohl alle Gleisanlagen abgebaut sind. Kurz nachdem wir die Zufahrtsstraße verlassen haben, stehen wir vor den ehemaligen Fördertürmen. Es ist schon beeindruckend, wenn man an ihnen hochschaut. Das ganze Gelände offenbart dagegen einen krassen Widerspruch zwischen Verfall und Neubau. Wege und Anlagen wirken allzu künstlich inszeniert, an den Gebäuden dagegen Rost, Spinnweben, zerbrochene Fensterscheiben, abgetrennte Rohrleitungen. Es finden sich leider weder eine Informationstafel noch Erläuterungen an den einzelnen Gebäuden, so dass man etwas ratlos durch das Ganze irrt. Einzig die ehemaligen Gebäude der Lohnhalle und Waschkaue sind vorbildlich instand gesetzt und werden vorrangig kommerziell neu genutzt. Es empfiehlt sich also, Zeit mitzubringen und wieder zu kommen, wenn eine Führung angeboten wird. So fahren wir fast so schlau ab, wie wir gekommen sind, nachdem wir uns noch in der alten Zechensiedlung umgesehen haben. Das wurde allerdings dadurch erschwert, dass die Einbahnstraßen nicht in Gegenrichtung für Radfahrer frei gegeben sind. Dennoch, wenn man ein wenig über die Geschichte der Zeche nachliest, ist man doch erstaunt, was hier in einer geschichtlich gesehen relativ kurzen Epoche an Werten geschaffen worden ist. Nicht einmal 100 Jahre hatte die Zeche Bestand - von den ersten Probebohrungen 1901 über den Förderbeginn 1912 bis zur endgültigen Schließung im Jahr 2000. Die Schächte sind verfüllt, viele bergbautechnische Einrichtungen abgebaut. Einfahren kann man hier also nicht mehr.
Weitere Informationen hier nicht sondern hier.
Ahlen
Wir verlassen die Zeche über den selben Weg, auf dem wir gekommen sind, schließlich ist der WERSE-RADWEG Gegenstand dieser Tour und nicht die schnellste Verbindung von A nach B. Kurz darauf ist auch schon die Innenstadt Ahlens erreicht. Es ist immer wieder ein besonderes Erlebnis, nach längerer Fahrt durch 'einsame Landschaften' in einer belebten Ansiedlung anzukommen. Und belebt ist Ahlen an diesem Samstag nun wirklich. Die Fußgängerzone ist voll von Menschen. Außerdem scheint der Wochenmarkt mehr Menschen anzulocken als an gewöhnlichen Tagen. Wir schauen uns in der Innenstadt um. Besonders hat es uns der Marktplatz angetan mit den bunten Blumen- und Gemüseständen, im Hintergrund umrahmt vom alten Rathaus und der Bartholomäuskirche. Hier läßt sich eine Kaffeepause so richtig genießen.
Drensteinfurt, Albersloh, Münster
Doch auch die schönste Pause hat mal ein Ende, und so machen wir uns wieder auf den Weg, verlassen Ahlen in nordwestlicher Richtung. Anfangs verläuft der Weg an der Werse entlang. Im weiteren Verlauf geht es im üblichen Zickzack durch eine intensiv landwirtschaftlich genutzte Gegend. Einmal quert der Weg die Werse. Ansonsten sehen wir sie erst in Drensteinfurt wieder. Auf mehr als der Hälfte der Strecke folgt die Route der K21, samstags ruhig, aber alltags? Das einzig Spannende auf diesem Teilstück produzieren wir selbst. Das Rad meiner Frau tritt sich plötzlich so seltsam. Da gerade hinter uns ein kleiner Rastplatz liegt, kehren wir dorthin zurück. Ich schaue mir den Schaden an. Bei einer Pedale haben sich zwei Schrauben während der Fahrt unbemerkt verabschiedet. Ersatzschrauben? Hatte ich für die kurze Tour nicht eingepackt. Was nun? Ach ja, die Schrauben vom zweiten Flaschenhalter könnten doch passen, alles M5-Schrauben. Also flugs das Ding abgeschraubt und die Länge der Schrauben geprüft. Könnten passen und tun es auch. Nach einer Viertelstunde kann es weiter gehen. Man sollte also doch immer neben etwas Werkzeug oder einem Multitool einige Schrauben, etwas Draht, Kabelbinder und Klebeband mitnehmen. Ersatzschläuche haben wir ohnehin immer dabei. Drensteinfurt ist denn auch bald erreicht. Hier waren wir schon häufiger, darum beäugen wir nur Haus Steinfurt etwas genauer, aber nur von außen. Es ist leider nicht zu besichtigen. Gegenüber der Anlage probieren wir einen Pfad an der Werse aus und landen am Ortsausgang wieder auf dem WERSE-RADWEG Richtung Albersloh.
Auch wenn man die Werse hier wieder nur sieht, wenn man sie überquert, wird der Weg doch abwechslungsreicher durch die Wegeführung zwischen großen alten Höfen und größeren Waldstücken. Leider kann man nicht von Haus Welpendorf nach Haus Göttendorf durch den Wald oder an der Werse entlang fahren. Da ich schon immer mal sehen wollte, wie die auf der Karte sich so interessant ausnehmende Anlage von Haus Göttendorf in der Realität aussieht, biegen wir vom Radweg an der Bahn rechts in die circa einen Kilometer lange Allee ein. Man kommt aber nur bis zur Toreinfahrt des Privatbesitzes derer von Galen des Immobilienunternehmers Dreier. Das heutige Herrenhaus wurde erst 1977 neu errichtet. Das ursprünglich Herrenhaus war verfallen.
Da links ein Weg an der Werse entlang führt, die hier das Grundstück begrenzt, wenden wir uns dort entlang. Nach etwas Holperei erreichen wir wiederum nach einem Kilometer den WERSE-RADWEG, der ab hier sehr reizvoll ebenfalls der Werse und ihren Windungen bis Wolbeck folgt. Dazwischen liegt das hochgepriesene Dörfchen Albersloh. Leider kreuzen sich hier zwei Landesstraßen, die auch an einem Samstag so stark befahren sind, dass man sich den Ort nicht in Ruhe anschauen kann, zumindest dann nicht, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist. "...verkehrstechnisch stark belastet.", so beschreibt es treffend der Wikipedia-Autor. Eine Einkehrmöglichkeit, die uns spontan zusagt, finden wir auch nicht. So geht es nach dem Foto mit 'alten Bekannten' weiter. Dabei treffen wir am Ortsausgang noch auf die muntere Gänseschar , die uns zu einem kleinen Fotostopp veranlasst. Die Strecke ab Albersloh schlängelt sich mit der Werse durch eine schon leicht herbstlich angefärbte Bilderbuch-Landschaft, und bietet nun wirklich 'Erholung pur', wie sie auf der Website des Kreises Warendorf vollmundig versprochen wird. Für Radler mit Herzschrittmacher gibt es eine kleine Einschränkung. Sie sollten die Funkanlage direkt am Werse-Radweg umfahren, und zwar auf dieser Strecke.
Hinter Wolbeck verlassen wir den WERSE-RADWEG unfreiwillig. Wir müssen irgendwo einen Wegweiser übersehen haben. Es geht ein Stück an der alten Bahnstrecke entlang, die von Beckum nach Münster führt, und mit der wir schließlich am Pängel-Anton-Museum in Gremmendorf landen. Eigentlich wollten wir ja erst in St. Mauritz an der Kreuzung mit dem Europa-Radweg R1 nach links Richtung Münster abbiegen. Aber was soll's. Nach einem Blick auf die Karte folgen wir ein Stück der Hauptstraße über die Güterumgehungsbahn hinweg, biegen dann rechts ab und steuern den Hafen an. Von hier bis in die Innenstadt ist es dann nur noch ein Katzensprung. Leider hat das Santorin in der Schillerstraße, bei dem man noch so schön in der Sonne hätte sitzen können, erst ab 18 Uhr geöffnet, und wir hätten von da gleich den Bahnhof vor der Nase gehabt. Aber es soll nicht sein. Also auf in's Getümmel der Münsteraner Innenstadt an einem Samstagnachmittag. Oje, hier wird auch noch gebaut. Alles drängt sich und schiebt sich durch die schmalen Gänge. Bloß wieder weg hier. Auf der anderen Seite kommen wir dann doch noch auf unsere Kosten in grüner Soße = Salsa Verde in der Bergstraße: Ganz versteckt liegt der Hintereingang zur Terrasse im Humborgweg. Das Essen ist ausgezeichnet, die Bedienung freundlich. Das entschädigt für den etwas nervigen Weg bis hier. Zufrieden und froh ob dieser 'Entdeckung' treten wir die Heimreise an, zuerst zum Bahnhof, dann mit der Westfalenbahn in unser Heimatstädtchen.
Resümee
Erholung pur Flussgenuss pur, den verspricht der Kreis Warendorf allen, die den WERSE-RADWEG befahren wollen. Zu 80 Prozent können wir uns dieser Voraussage anschließen. Einschränkungen siehe oben. Es ist nicht nur die auf weiten Strecken wunderschöne Landschaft im Ganzen. Es ist die Verschiedenheit, es sind die Gegensätze, die diese Strecke so reizvoll machen: fast bergige Abschnitte, wenn man Rheda her kommt, ebenes Bauernland hinter Ahlen, hügelige Landschaft bei fast ebener Fahrt direkt am Fluss von Albersloh nach Wolbeck, aber auch historische Stadtkerne und Gebäude in Rheda, Oelde, Beckum, Ahlen oder Drensteinfurt neben Industrie-Denkmälern wie in Hamm und Ahlen. Ein Highlight sind Strecken wie die auf der Trasse der ehemaligen Zechenbahn von Hamm nach Ahlen. Sie bieten einen hohen Anreiz, sich für das Fahrrad als das Verkehrsmittel im Urlaub zu entscheiden, da sie auch mit Kindern hervorragend zu befahren sind. Im Gegensatz dazu steht der Abschnitt an der Kreisstraße zwischen Ahlen und Drensteinfurt. Hier möchte ich keine Urlaubsfahrt mit Kindern unternehmen, vor allem nicht alltags und schon gar nicht im Regen.
Geänderte Routenführung nach Drensteinfurt
Inzwischen ist diese Kritik wohl auch beim Kreis Warendorf angekommen. Ich nehme mal an, dass auch andere Radler ihre Unzufriedenheit geäußert haben. Es gibt eine geänderte Streckenführung nördlich besagter Kreisstraße. Leider noch weiter von der Werse entfernt und das weiträumige Zickzack auf bestehenden landwirtschaftlichen Wegen fortsetzend. Kann man nicht mal ein paar Meter Weg neu anlegen? So landet man jetzt nach vielen Kilometern Umweg an der Kreuzung L585 / B58!!! Dann doch lieber vorher wieder an die Kreisstraße zurück oder unsere Alternativstrecke radeln: Wir empfehlen die hier dargestellte Route. Die ist direkter und genauso "spannend" sprich langweilig wie die offizielle Route nach Drensteinfurt.
Aktuelle Umleitungen
Aktuelle Umleitungen sind im Internetauftritt des Kreises Warendorf aufgeführt: Bitte hier klicken.