Warum nicht mal Bassum und seine Umgebung ein wenig erkunden. Bisher sind wir immer nur durch den Ort hindurch gefahren oder gar drum herum. Letzten Samstag wollten wir es endlich mal wissen. Was hat Bassum zu bieten? Wo liegen versteckte Schönheiten dieser kleinen Stadt? Also habe ich mich zuhause hingesetzt und eine kleine Wanderrunde erarbeitet, die viele Facetten einschließt: Ein wenig Eisenbahnromantik (-realität?), viel Natur - denn es ist Herbst, goldener Oktober, die Wetteraussichten versprechen einen sonnigen Tag - und ein wenig Kultur. Das ist dabei heraus gekommen:
Wir parken und starten am Friedhof und durchwandern auch gleich eine wunderschöne, im Herbstsonnenlicht leuchtende Lindenallee. Dieser Friedhof spiegelt in Gestaltung und Anlage ein wenig die historische Entwicklung der Stadt, wirft aber auch Schlaglichter auf die unselige Vergangenheit, als der Faschismus Deutschland fest im Griff und die Herzen der Menschen versteinert hatte. Mehrere Tafeln informieren über das Schicksal von Menschen, die hier gelitten haben und begraben liegen, seien es Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene oder in den letzten Kriegswochen tödlich verwundete Zivilpersonen. Ganz besonders schrecklich und bedrückend: Das Schicksal der Kinder von Zwangsarbeiterinnen, die gleich nach der Geburt ihren Müttern weggenommen und in sogenannten 'Pflegeanstalten' zu Tode vernachlässigt wurden. Nirgends liegen wohl Schönheit und Tod so nah beieinander wie auf einem Friedhof.
Vom Friedhof aus laufen wir durch eine alte Bahnsiedlung, so erscheint sie uns jedenfalls, unterqueren die Gleise und biegen kurz nach der Eschenhäuser Straße in einen kleinen Weg ein, kaum erkennbar, fast durch ein Auto verstellt und nicht als Wanderweg gekennzeichnet. Er führt auf die Umgehungsstraße zu und unterquert sie gemeinsam mit einem Zulauf der Eschenhäuser Beeke. Unten wenden wir uns rechts auf den Ziegelberg zu. Hier stoßen wir dann auf die Trasse der Bahnstrecke, auf der noch bis 1994 Eilzüge von Bremen in den Süden fuhren, zeitweise sogar bis nach Frankfurt. Diese inoffiziell so genannten 'Heckeneilzüge' (vielleicht weil sie Hecken-gesäumte Nebenstrecken befahren haben) verbanden seit 1949 regionale Zentren wie Bremen oder Oldenburg zum Beispiel mit Metropolen im Süden.
Wir treffen schließlich auf die Bundesstraße 61. Hier sollte eigentlich eine Eisenbahnbrücke die Straße queren. Die wurde irgendwann im letzten Jahrzehnt abgebrochen, ist aber auf vielen Karten noch verzeichnet. So geht nach und nach eine Bahnstrecke unter, die in der heutigen Zeit Hauptstrecken vom Güterverkehr aus den Seehäfen hätte entlasten können.
Nach etwa 200 Metern an der Bundesstraße biegen wir rechts in einen Weg ein, unterqueren den Bahndamm und laufen auf den Klosterbach zu, der hier von einer einfachen Brücke, bedeckt mit rutschigen Stahlplatten, überquert werden kann. Der folgende Weg ist in sehr schlechtem Zustand, trotz des langen und trockenen Sommers feucht bis matschig, bei nasserem Wetter vermutlich kaum passierbar. Es gibt wenig Möglichkeiten, abseits größerer Straßen über den Klosterbach zu gelangen: Ein echte Barriere, will man von Ost nach West zu Fuß oder mit dem Fahrrad vorankommen. Der weitere Weg erzeugt schönste Wandergefühle. Er verläuft in der Sonne am Waldrand entlang. Der Wald leuchtet in den schönsten Rot- und Goldtönen, einige Blumen blühen noch am Wegesrand, sogar ein Schmetterling tut so, als sei es noch Sommer.
Nachdem wir das Waldgebiet umrundet haben, nehmen wir Kurs auf Nienhaus und Bassum über die Fußgängerbrücke und die Unterführung der Bremer Bahnstrecke. Nach Queren der ehemaligen B51 (jetzt L776) laufen wir direkt auf die Freudenburg zu, die hier auf einem künstlichen Hügel thront. Ursprünglich Sitz der Amtsmänner der einst mächtigen Grafen von Hoya dient sie heute als Tagungs- und Seminarhaus der VHS im Landkreis Diepholz. Auf jeden Fall sind die schwarzweißen Fachwerkgebäude sehr schön anzusehen, zumal Fachwerk in dieser Gegend selten geworden ist. Nur wenige Privathäuser sind noch als Fachwerkgebäude erhalten. Die meisten wurden im Laufe der Zeit 'modernisiert'. Fachwerk wurde durch Backsteinwände ersetzt. Glatt, unverziert, geschichts- und gesichtslos stehen sie nun in der Landschaft.
Über einen Fußweg am Klosterbach entlang erreichen wir das Stift Bassum, das sich vor uns auf einer Anhöhe erhebt, überragt von der Stiftskirche. Besonders sehenswert hier wieder die auch in Fachwerk erbaute Abtei, die gerade grundlegend saniert wird. Rund um das Stift sind auch noch einige der sehenswerten Häuser erhalten, in denen die Stiftsdamen gewohnt haben. Noch heute wird das Stift von einer Äbtissin geführt. In einem Stift brachte der Adel früher seine "überzähligen" unverheirateten weiblichen Mitglieder unter. Nichtsdestotrotz war ein Stift häufig Zentrum der kulturellen Entwicklung oder der Fürsorge für die Armen und Kranken.
Nach so viel Wohltat für die Augen soll auch der Bauch zu seinem Recht kommen. Also steuern wir nach einem Schlenker über das Krankenhausgelände das BäckereiCafè Meyer in der Sulinger Straße an, um hier die Wanderung bei Kaffee und Kuchen genussvoll abzuschließen - übrigens nahezu die einzige Möglichkeit zur Einkehr an einem Samstagnachmittag, da das Café bis 17 Uhr geöffnet hat, Restaurants aber erst um 17 bzw. 17.30 Uhr aufmachen.
Fazit
Es hat sich in jeder Beziehung gelohnt, Bassum und Umgebung näher in Augenschein zu nehmen. Das schöne Herbstwetter hat seinen Teil dazu beigetragen, dass wir diese Runde sehr genossen haben. Aber auch die abwechslungstreiche Strecke und die sehenswerten Kulturgüter lohnen den Weg in diese kleine Stadt.
An den Wegebeziehungen könnte noch einiges getan werden. Wenn man wie wir diese südöstliche Runde laufen will, muss man ein Stück an der Bundesstraße 61 entlang laufen, um wieder über den Klosterbach zu gelangen - in nördlicher Richtung besonders gefährlich, weil hier der Radweg nicht bis zum Waldweg geführt ist.